Gedanken zu dem Anschlag in Solingen (Forum)
Vorab möchte ich sagen, dass mir der Ansatz von Dir grundsätzlich gefällt und das finden von "Lösungen für Probleme" immer besser bzw. zielführender ist als nur das "Aufzeigen von Problemen". Allerdings denkst Du, zumindest in Deinem Einstieg, meiner Meinung nach etwas "zu kurz".
Konservative Medien wie "Die Welt" schreiben von einem "Problem mit jungen, gewaltbereiten Männern aus muslimischen Gesellschaften". das man angeblich verschwiegen werden soll. Was für ein Blödsinn. Natürlich darf man dieses Problem benennen. Nur ist die alleinige Benennung des Problems noch kein konstruktiver Ansatz zur Lösung des Problems. Und dazu kommt dann meistens nichts hinterher.
Für mich kommt hier von Dir eine "Kritik" daran, wenn eine Zeitung (oder wer auch immer in einer Diskussion) thematisiert, dass ein Problem nicht sauber benannt wird / werden darf. Diesen Ansatz empfinde ich als sehr problematisch, da die Grundlage jeder "Lösung zu einem Problem" erst einmal die genaue Identifizierung des Problems ist. Wenn also, und ja, das sehe ich auch so, es zumindest in Teilen der Gesellschaft nicht gut aufgenommen wird wenn Aussagen wie "Das Problem besteht überproportional bei jungen gewaltbereiten Männern aus muslimischen Gesellschaften" getätigt werden, dann ist der erste Schritt, das es normal ist dieses Problem anzusprechen und als Problem anzuerkennen.
Für mich stellt sich erst einmal die Frage, ob die Täter und die rechtzeitig gestoppten potentiellen Täter von islamistischen Gewalttaten in ihrer Mehrheit schon radikalisiert waren, als sie nach Deutschland gekommen sind oder ob sie sich in Deutschland radikalisiert haben. Ich bin sicher, dass es dazu Studien gibt (Wenn nicht, wäre das ein grobes Versäumnis.
Vielleicht gibt es diese Studien oder eine Diskussion über die evtl. vorliegenden Ergebnisse nicht, weil eine Diskussion über "Warum gib es einen überproportional hohen Anteil an Jungen gewaltbereiten Männern aus muslimischen Gesellschaften?" eben gerade nicht diskutiert werden soll bzw. das Problem eben "nicht benannt werden soll".
Es scheint mir plausibel zu sein, dass die überwiegende Mehrheit davon sich erst in Deutschland radikalisiert hat. Dann stellt sich aber die Frage, was wird zur Prävention einer solchen Radikalisierung unternommen ?
Und das ist eben erst der zweite Schritt, nachdem wirklich auch die Verantwortlichen das Problem klar benennen.
Für mich ist offensichtlich, dass Leute, die man abschieben will, aber aus welchen Gründen auch immer nicht abgeschoben werden, stark empfänglich für radikale Propaganda und damit potentiell gefährlich ist. Demzufolge muss unbedingt vermieden werden, dass solche Leute mehr oder weniger sich selbst überlassen werden. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten:
Ist das wirklich "offensichtlich"? Also nur mal als Beispiel, Du fliehst aus Deutschland weil Du verfolgt wirst und wirst in Frankreich aufgenommen. Du kannst kaum Französisch, aber Du bemühst Dich Französisch zu lernen. Du musst keine Angst mehr haben, dass Du gefoltert oder getötet wirst, aber so "richtig" willkommen fühlst Du Dich nicht, weil irgendwer - so viel hast Du verstanden - Dich beschimpft hat als Du auf der Straße unterwegs warst. Trotzdem kennst Du auch viele "nette Franzosen" die Dir helfen aber auch die sagen Dir, dass Deutschland und Frankreich "schon immer irgendwie Krieg gegeneinander geführt hat" und sich Deutsche und Franzosen eigentlich nicht mögen. Es wird aber immer betont, dass das eigentlich falsch ist und es auch viele Franzosen gibt, die mit Deutschen kein Problem haben. Arbeiten darfst Du in Frankreich nicht und die Unterbringung ist "so-la-la" aber Du bekommst zu essen, Kleidung und dein Handy darfst Du auch behalten und Strom, etc. musst Du nicht bezahlen (woher sollte das Geld auch kommen) und ein wenig Geld bekommst Du sogar. Alles ist aber extrem bürokratisch und Du darfst nicht mal nach Paris fahren (es gibt eine Zone in der Du Dich bewegen darfst aber da sind keine interessanten Städte drin) und irgendwie ist Dir echt langweilig. Aber wie gesagt, Du weißt, dass Du keine Angst vor Folter haben musst und daher gehts Dir eigentlich schon besser.
-> so viel zur hypothetischen Ausgangslage die sicherlich "schlechter" bzw. weniger integriert ist als die Ausgangslage für Flüchtlinge hier in Deutschland (wenn ich falsch liege darf man mich aber gerne berichtigen)
Jetzt zu meiner Frage: Wäre es für Dich wirklich "offensichtlich", wenn Dich in dieser Situation jemand anspricht, dass doch die Franzosen alle (viele) schlechte Menschen sind und man die doch mit dem Messer töten muss, das Du das dann tust?
Sorry, aber niemand und nichts (von Notwehr bzw. Selbstschutz abgesehen) würde mich dazu bringen in dem Land, das mich vor Folter oder Tod schützt und, wenn auch nicht optimal, aufgenommen hat, mit dem Messer auf Menschen los zu gehen. So eine "radikalisieren" kann niemals hier in Deutschland geschehen sein und das ist für mich offensichtlich.