Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob ich in deiner Aussage nun nicht doch einen Widerspruch erkenne?

Du bemängelst, dass in der Doku keine Personen "überhalb Status Fan" vorkommen, welche die Seele von 1860 darstellen können, hättest selbst genau diese Person sein können und hast aber die Teilnahme abgelehnt? Also du hast aufgrund potentieller Tendenziösität abgelehnt, wenngleich du wahrscheinlich der einzige gewesen wärst, welche dieser Tendenziösität entgegen treten hättest können?

Im unsäglichen Blog wird die Doku übrigens ebenfalls wegen ihrer Tendenz kritisiert, wenngleich genau in die andere Richtung.

Ja, das ist richtig. Aber das ist ja genau der Kern der ganzen Sache, der gut rüber kommt. KHW hatte den sportlichen Erfolg und ist letztendlich mit dieser Erfolgsausrichtung gescheitert. Man hätte vielleicht auch noch besser herausarbeiten können, dass man als Lokalrivale eines der Weltmarktführer halt auch marketingtechnisch eine andere Linie fahren muss und nicht die in fast allen Belangen (Erfolg, Finanzen, Sponsoren, Zuschauerzahlen) schlechtere Kopie sein darf und dass gemeinsames Stadion halt nur in Städten funktioniert, in denen die Klubs mehr auf Augenhöhe sind. Beispiel Mailand.

Für mich reduziert es sich wie so oft auf die Frage, ob man attraktiv für Investoren sein will bzw. will man Erfolg um jeden Preis oder Erfolg nur unter Wahrung der Identität, was den Erfolg unwahrscheinlicher macht.

Macht einen die zugespitzte Gegenüberstellung von Ismaik einerseits und den nach Unabhängigkeit strebenden Fans andererseits für Investoren attraktiv? Sicher nicht, und ich finde das gut so.

Die Doku klammert (wahrscheinlich bewusst) die sicher nicht so kleine investorenfreundliche Gruppe unter den Löwenfans weitgehend aus (Griss, Arge, Sofalöwen usw.). Ein paar Ex-Funktionäre dürfen in die Richtung reden, das Volk wird konsequent als Rebellen dargestellt.

Ich finde, das schönt sogar fast unsere Situation. Aber irgendwie ist es auch stimmig. Denn Sechzig lebt vor Ort, lebt im Stadion, lebt in Giesing. Und da ist die Meinung derzeit schon klar verteilt. Würde man eine Abstimmung unter allen Sympathisanten fahren, hätte man ein anderes Bild, und sicher auch eines, mit dem Investoren mehr anfangen können (auch wenn der Streit unter den Gruppen natürlich weiterhin ein Hindernis bleibt).

Das Bild wäre aber verzerrt, weil diese Sofalöwen eben Sechzig in der jetzigen Form nicht verstehen können, ohne vor Ort zu sein. Die Doku gibt ihnen aber erstmals einen einigermaßen neutralen Einblick davon. Und das finde ich das Großartige daran. Ich könnte mir vorstellen, dass vielen Uninformierten die Augen geöffnet werden.

Ob sich Ude, Cassalette oder der depperte Bua nun aus ihrer Warte positiv darstellen, kann uns ja erstmal wurscht sein. Für einen "neutralen" Betrachter erscheint ihr Wirken für 1860 jedoch absolut negativ. Auch Ismaik hat nicht den besten Auftritt. This is Lego ...

Die Doku arbeitet meines Erachtens deutlich heraus, dass Sechzig größtenteils durch seine Fans lebt. Die Fans bekommen ausreichend Bühne um ihre Sicht auf den größten Verein aller Zeiten darzustellen, soviel Bühne wie selten zuvor.

Die "Gegenseite" wird größtenteils von zwielichtigen Gestalten präsentiert.

Was man nicht vergessen darf: Sollte es da draußen irgendwo einen regionalen "Gönner" geben, der bereit ist sich bei Sechzig zu engagieren; Die Chance, dass er einsteigt und unsere Kundenbedürfnisse dabei berücksichtigt, ist meines Erachtens nicht geringer geworden.

Hier möchte ich doch deutlich deine blaue Brille ansprechen. Die Doku trennt schon säuberlich in Protagonisten, welche dem modernen erfolgreichen Fußball zugewandt sind, und den paar Fans mit ihren Sehnsüchten. Und ob ein neutraler Betrachter einem Uli Hoeness, erfolgreichen Exspielern oder Moderatoren glaubt, oder eben ein paar sentimentalen Fans ist ehrlich gesagt nicht sicher. Gut, der Cassalette kommt rüber wie der letzte Sandler, aber der Rest wird eigentlich so seriös wie möglich dargestellt. Auch Ismaik bekommt seine Zeit um ungehindert sein wirres Zeug zu verkünden. Und der Grundtenor ist halt schon immer, man konnte es ja nicht verhindern, so läuft halt das Geschäft, und man hatte sein bestes versucht. Selbst der verurteilte Betrüger darf da noch in die Kamera heulen, wie schlimm das alles war.

Diese Doku ist jetzt kein übles Machwerk, auch wenn mir das kotzen kommt, wenn sich die Vereinszerstörer da selbstgefällig in der Kamera präsentieren. Aber ein großes Kunstwerk ist es auch nicht. Zusätzlich zu meinen bereits geäußerten Kritikpunkten.
Fehlend ist die erste Mehrheit bei einer Delegiertenwahl.
Fehlend ist der Machtkampf zwischen Arge, Ziffzger und A.v.Linde
Fehlend ist die Satzungsänderung, welche eigentlich die Voraussetzung zu dieser Zerrissenheit zwischen Präsidium, KGaA, Investor erst schafft.
Und fehlend ist die Sackgasse in der wir uns inzwischen wieder befinden.

Leider bin ich da noch nicht mal bei dem Punkt, dass wir selbst nicht mal wissen, was wir wollen. Weil nur allzu oft muss ich mir anhören, dass die Lösung mit Gönnern und regionalen Investoren Milch und Honig verspricht.

Dazu wiederholt ein ganz gepflegtes Gehts scheißn.