Blockupy: Journalisten merken was? (Forum)

Lüngerl, Wednesday, 05.06.2013, 19:08 (vor 4583 Tagen)

Journalisten werden dann besonders aktiv, wenn sie einmal am eigenen Leib verspüren, was für zahlreiche Teilnehmer an politischen Protesten und auch gar nicht wenige Fußballfans längst zum Alltag in Deutschland geworden ist: "Pfefferspray aus nächster Nähe", "mit voller Wucht (die Kamera) ins Gesicht", "von einem Polizisten geschubst", "ein Bein gestellt", "Ellbogen massiv gegen die Halsschlagader" und so fort.

„Keinerlei Sensibilität für die Pressefreiheit und die Arbeit der Journalisten“ wollen Vertreter der Zunft bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt festgestellt haben. Welcher Art diese "Sensibilität" sein soll, verraten sie nicht. Wäre die Behandlung nicht vereinzelten Journalisten zu Teil geworden, sondern nur den "üblichen Verdächtigen", vermutlich hätte kein einziges bürgerliches Presseorgan auch nur ein Wort darüber verloren.

Die paramilitärischen Polizeiverbände haben das getan, was sie häufig tun und Teil ihres Jobs und politischen Auftrags ist. Dummerweise waren in Frankfurt ein paar Journalisten im Weg, deren Verbandsvertreter nun in lautem Ton "lückenlose Aufklärung" und "politische Konsequenzen" fordern. Ob sich nach dieser Erfahrung künftig an mancher Berichterstattung und der Kultur des (Nicht-)Hinschauens etwas ändern wird? Und nicht mehr jeder Polizeibericht ohne Faktencheck mit Copy and Paste ins Medium genagelt wird? Zu wünschen wäre es. Es auch nur zu hoffen, womöglich naiv.

Böse gesagt: eigentlich muss man den Beamten fast schon dankbar sein für die Tracht Prügel, die sie Journalisten verabreicht haben. Der eine oder andere merkt vielleicht doch was?

Blockupy: Journalisten merken was?

Teng, Thursday, 06.06.2013, 01:21 (vor 4583 Tagen) @ Lüngerl

Der eine oder andere merkte auch so schon etwas, Es bringt nichts und ist ungerecht, eine ganze Berufssparte über einen Kamm zu scheren - ich erinnere an die Berichterstattung über das Derby im GWS (insb. SZ) und die Übergriffe, an Wackersdorf, an den Münchner Kessel, an die Startbahn West, an den Stuttgarter Bahnhof, Teresa Z, Rosenheim oder jetzt an den Fall Mollath. Politiker- und Journalistenbaching ist in, beide Berufe leiden unter schwarzen Schafen und Vorurteilen - die übrigens auch dafür sorgen, dass insbesondere in der Politik sich viele mögliche Kandidaten fragen, soll ich mir das antun? Ich räume ein, ein wenig mehr Selbstreinigung würde gut tun - allerdings sind beide Berufe ein Spiegelbild der Gesellschaft, nur eben an exponierter Position.

Statt Baching zu betreiben wäre es sinnvoller sich endlich für eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten einzusetzen und kritische Berichterstattung mehr zu loben und zu thematisieren.

Blockupy: Journalisten merken was?

tomtom, Thursday, 06.06.2013, 07:30 (vor 4582 Tagen) @ Teng

Danke für Deine sachliche Einschätzung, da kann ich nur zustimmen. Es ist halt wirklich alles nicht so einfach und ich halte es durchaus für legitim, sich für die eigenen Interessen einzusetzen. Ich will ja nicht jammern, aber derzeit ist es wirklich für viele KollegInnen nicht einfach, in diesem Beruf zu arbeiten - Einsparungen, Entlassungen und die Unsicherheit, was der Medienwandel noch mit sich bringt. Nichtsdestotrotz müssen Mängel in der Berichterstattung aufgezeigt werden. Oha, das Beispiel Stuttgarter Bahnhof war jetzt allerdings ned so gut, da haben vor allem die Platzhirsche versagt. Anderes Thema.

Der eine oder andere merkte auch so schon etwas, Es bringt nichts und ist ungerecht, eine ganze Berufssparte über einen Kamm zu scheren - ich erinnere an die Berichterstattung über das Derby im GWS (insb. SZ) und die Übergriffe, an Wackersdorf, an den Münchner Kessel, an die Startbahn West, an den Stuttgarter Bahnhof, Teresa Z, Rosenheim oder jetzt an den Fall Mollath. Politiker- und Journalistenbaching ist in, beide Berufe leiden unter schwarzen Schafen und Vorurteilen - die übrigens auch dafür sorgen, dass insbesondere in der Politik sich viele mögliche Kandidaten fragen, soll ich mir das antun? Ich räume ein, ein wenig mehr Selbstreinigung würde gut tun - allerdings sind beide Berufe ein Spiegelbild der Gesellschaft, nur eben an exponierter Position.

Statt Baching zu betreiben wäre es sinnvoller sich endlich für eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten einzusetzen und kritische Berichterstattung mehr zu loben und zu thematisieren.

Blockupy: Journalisten merken was?

der chefanmerker, Thursday, 06.06.2013, 07:42 (vor 4582 Tagen) @ tomtom

trotzdem ist es erstaunlich, dass das geschrei richtig groß wird, wenn es diverse herren selber trifft - das kann man so allgemein stehen lassen. wenn vorher schon welche schreien juckt das kaum wen (oder es sind eh die üblichen verdächtigen). auch finde ich die gespielte empörung über die polizei wie jetzt zum beispiel in der türkei arg daneben, denn hier wäre es nicht anders gewesen - aber hier wären ja die bösen die wutbürger (incl hooligans, ultras, autonome und sonstige bösewichter).

Rätselhaftes Früher

Lüngerl, Thursday, 06.06.2013, 08:46 (vor 4582 Tagen) @ Teng

Manchmal schaue ich mir spätabends beim Zappen alte Tagesschauausgaben aus früheren Jahrzehnten im Fernsehen an. Dabei hat es mich letztens gerissen:

Kommt da doch nicht eine Meldung mit Bewegtbild aus den frühen 70er Jahren, in der von einer Demonstration in Westdeutschland die Rede war. Nachrichtensprecher: Nach Polizeiangaben kam es zu (...) – unsere eigenen Beobachtungen hingegen (...)

Im Voice-over eines Tagesschaubeitrags wurde die offizielle Darstellung eines Polizeisprechers kritisch hinterfragt, weil sie nicht mit vor Ort gewonnen Erkenntnissen und Beobachtungen der Journalisten zusammenpassten. Das wurde nicht nur festgestellt, sondern im Beitrag auch offen angesprochen.

Wow! Das waren noch Zeiten.

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